kurato_lueneburg

 

 

In-Institut oder An-Institut
Der Verein als Werk im Verein
Das Projekt KURATO.kollektiv

 

Wenn Künstler einen Kunstverein gründen, kann ein Werk entstehen. So liegt es nahe, gleich die ganze neue Institution als Werk zu betrachten und über ihre Form, ihr Format zu verhandeln um dieses neue Werk in einen entsprechenden Kunst-Kontext zu stellen. Kunst muss öffentlich sein. Im Laufe der Entwicklung des Projektes KURATO.kollektiv war so zu allererst ein öffentlicher Raum im öffentlichen Raum entworfen worden: DIE ROTE KISTE. Sie wurde 2009 gebaut, als nach einer Findungsphase ab 2007 der KUNSTRAUM TOSTERGLOPE (kurz KURATO) vermehrt im öffentlichen Raum – insbesondere mit seinen Kunstvermittlungsaktionen – zu intervenieren begann. DIE ROTE KISTE wurde schnell zum Synonym für den agilen Verein, der über Land zieht und auf Marktplätzen und im nahen Bereich von Schulen des Landkreises Lüneburg landet: Das erste Kunstvermittlungsprojekt von KURATO hieß denn auch DIE LANDUNG und operierte mit Schülern und Schülerinnen im öffentlichen Raum um in der Fremde zu landen, oder diese gar erst zu erfinden. Überhaupt spielte Das Fremde und Die Überraschung und Die Landung im Zusammenhang mit der künstlerischen Kunstvermittlung des Vereins die zentrale Themenrolle.
Bereits 2011 entstand das erste Modell von KURATO.kollektiv, welches im gleichen Jahr Grundlage für die Bewerbung beim Daniel Frese Preis der Uni Lüneburg war. Die Realisierung war allerdings auch durch die Begrenzung des Preisgeldes nicht zu erwarten. Aber schon im Mai 2012 konnte KURATO.kollektiv auf Einladung der Galerie oqbo in Berlin landen, so dass nun der Prozess Verein als Werk im Kunst-Kontext begonnen wurde. Wenig später wurde das Werk im Rahmen des Kunstvermittlungsformates KunstTransfer (angeleitet von Anja Marrack) des Kunstvereins Göttingen im Künstlerhaus in Göttingen installiert. Um die KURATO-Insel herum konnten die Besucher Positionen für ihre Beobachtungen bestimmen – Aussichtsorte, Standpunkte gewissermaßen, wurden mit farbigen Markierungen angelegt. Die KollegInnen von KUNSTRAUM TOSTERGLOPE hatten sich in der Stadt eingemietet und kamen jeden Morgen zur Arbeit an den Kunstort. 10 Tage war auf diese Weise KURATO im örtlichen Kunstverein implantiert und entwickelte das Werk weiter. Kontinuum ist die Klanginstallation von Joachim Heintz in Variationen an den verschiedenen Orten der KURATO-Aktion – nun auch im Kunstverein Lüneburg, in welchen KURATO.kollektiv einzog und für 10 Tage eine außergewöhnliche Insel installierte. Joachim Heintz’ Gläserne Unterbrechung begleitet das Projekt im Grenzbereich zwischen Geräteinstallation und klingendem Stundenglas. Auf ähnliche Weise kann die Videoarbeit von Anna Werkmeister verstanden werden, die einem Antriebsrad gleich das Ganze zu bewegen scheint und zugleich Kühlung zufächelt.
Die Besucher und vor allem die Kritiker von KURATO.kollektiv stellen wiederholt die Frage, wo das Kunstwerk beginnt und wo das Büro einfach nur Arbeitsplatz ist. Tatsächlich ist es den Besuchern überlassen, diese Frage durch Teilhabe am Prozess zu beantworten. Es scheiden sich die Geister bei der Behinderung durch Erwartung. Nicht der Kunstbegriff ist es sondern die Verweigerung gegenüber der Kontext-Entscheidung von Büro und Kunstraum, die sich querstellt.
Insgesamt ist die Unternehmung, den kleinsten Kunstverein in einen anderen, größeren zu implantieren – zumindest für eine gewisse (Ausstellungs)Zeit – nur folgerichtig: Wenn die Off-Lage des Kunstraums betrachtet wird, die die Wahrnehmung seiner Existenz fast virtuell erscheinen lässt, wie eine Spekulation, dann ist er so klein und beweglich, dass er überall hingelangt und reinpasst. Dennoch ist der kleinste Kunstverein auf dem Lande in seiner Region von größter Bedeutung – etwa so, wie es Inga Oppenhausen jüngst* beschrieb: „Kunstvereine in der Region erfüllen eine äußerst wichtige Funktion innerhalb der Kulturlandschaft Deutschlands. Man könnte sagen, sie sorgen für die notwendige ‚kulturelle Durchblutung’ des Landes, indem sie für eine flächendeckende Verbreitung und Aneignung aktueller Kunst und der mit ihr verbundenen Diskurse und kulturellen Werte sorgen – und zwar grundsätzlich in beide Richtungen: von der Stadt in die Provinz, aber auch, wie das Beispiel des Kunstraum Tosterglope lehrt, zurück von der Provinz in die Stadt.“ Um diese Wechselbeziehung geht es aber in der Tat bei KURATO.kollektiv – der kleinste Kunstverein als Werk im Kunstverein. Bleibt von hier aus nur die Frage: wo genau ist Provinz wirklich?

 

* im KUNST Magazin 13/03, KUNST Verlag Berlin 2013, in dem Leitartikel Auf in die Provinz! Kunstvereine fernab von Metropolen, Inga Oppenhausen (Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Kunstvereine)